Blumen und ihre innere Uhr
Blumen und Pflanzen im Allgemeinen haben einen individuellen Biorhythmus. Dieser wiederum ist in das Ökosystem perfekt eingebunden.
Blumen und die Pflanzensystematik
Blumen bezaubern durch ihre Farbenpracht und ihrem verführerischen Duft. Carl von Linné, ein schwedischer Botaniker im 18.Jahrhundert, tauchte durch seine Naturbeobachtungen noch tiefer in die Welt der Pflanzen ein. Er beschäftigte sich mit der Pflanzensystematik, beobachtete die periodisch wiederkehrenden Entwicklungserscheinungen. Dabei entdeckte er, dass jede Blume ihren eigenen festen Tagesablauf hat. Seine Erkenntnisse fasste er zusammen und errichtet 1745 im Botanischen Garten in Uppsala eine Blumenuhr.
Basierend auf dem Wissen, dass unterschiedliche Blumenarten zu verschiedenen Tageszeiten ihre Blüten öffnen und schließen. Die Blumenuhr ist in zwölf Segmente eingeteilt, diese entsprechen der Stundeneinteilung einer Uhr. Jedes Segment wurde mit den Blumen bestückt, die in der entsprechenden Zeitspanne ihre Blüten öffnet. Zum Erstaunen seiner Gäste, konnte er beim Blick aus dem Fenster die Uhrzeit, bis auf wenige Minuten genau, aus dem Blütenstand seiner Blumenuhr ablesen.
- Die Wegwarte startet bereits um 5 Uhr, sie schließt ihre Blüten um 14.00 Uhr, jetzt öffnet sich die Blüte des Löwenzahns.
- Die Ringelblume und Huflattich öffnen ihre Pforten um 7 Uhr morgens. Die Ringelblume schließt ihre Blüten um 13.00 Uhr, Huflattich erst gegen 16.00 Uhr.
- Morgens um 9.00 Uhr zeigt die Margerite ihren gelben Blütenstempel.
- Die volle Pracht der Mittagsblume tritt zur Mittagszeit in Erscheinung.
- Die Wunderblume kann ab 16.00 Uhr von den Insekten angesteuert werden.
- Nachtkerzen, wie es schon im Namen erkennbar ist, öffnen das Buffett abends um 20.00 Uhr. Dann verströmt sie einen betörenden intensiven Duft um die Nachtfalter anzulocken.
Dies sind nur wenige Beispiele um einen kleinen Einblick zu geben. Jede Pflanze hat seinen eigenen festen Tagesablauf, dieser steht immer in Abhängigkeit zur Jahreszeit und Klimazone.
Blumen sind pünktlich und wetterfühlig
Jede Blume öffnet- entsprechend dem Takt ihrer inneren Uhr – die Blüten zur unterschiedlichen Tageszeit. Aber warum eigentlich? Die Antwort ist einfach und doch nicht minder faszinierend. Es ist ein wundervolles, überlebenswichtiges Zusammenspiel von Blumen und Insekten. Die verschiedenen Insektenarten haben sich auf unterschiedliche Blumen spezialisiert.
Die Insekten umgehen damit eine Konkurrenz um das Nahrungsangebot und vermeiden damit eine Nahrungsknappheit. Auch die Blumen Ihrerseits richten sich an die Bedürfnisse der Insekten. So werden Primeln mit Ihrer spezifischen Wachstumsform ausschließlich von Motten bestäubt, welche nachtaktiv sind. Aus diesem Grund öffnen die Primeln ihre Blüten erst abends um bestäubt zu werden.
Manche Bauern wissen noch heute, dass die Altvorderen die Mittagspause begonnen haben, wenn der Bocksbart seine Blüten zur Mittagszeit schließt. Das Leben unserer Vorfahren wurde von Pflanzen und Pflanzenuhren bestimmt.
„ Wir lassen alle Uhren zerschlagen alle Kalender verbieten und zählen Stunden und Monde nur nach der Blumenuhr, nur nach Blüte und Frucht.„ (Georg Büchner/ Auszug aus Leonce und Lena)
Auch bei Wettervorhersagen waren die Blüten sehr hilfreich. Bevor ein Unwetter aufzieht oder Regen naht, erhöht sich die Luftfeuchtigkeit, welche die Pflanzen wahrnehmen, zum Schutz des Blütenstempels schließen sie ihre Blüten oder lassen auch die Blätter hängen. Die Silberdistel, die auch den Namen Wetterdistel trägt, zeigt dies besonders deutlich an.
Im Umgekehrten, kann auch davon ausgegangen werden, wenn die Blüten weitgeöffnet sind, bleibt das Wetter noch für einige Stunden trocken. Bevor es regnet duften Rosen besonders stark, um noch einmal viele Insekten einzuladen. Erst wenn die Bienen die Blüten verlassen und das Pollensammeln einstellen, heißt es auch für den Menschen, schnell einen schützenden Unterstand aufsuchen.
Theorie und Praxis
Wer eine eigene Blumenuhr anlegen möchte, muss einiges an Enthusiasmus mitbringen. Es ist viel Geduld gefragt, da zunächst das heimatliche Umfeld erkundet und beobachtet werden muss. Durch das Blühverhalten der unterschiedlichen Blütensorten, in den vier Jahreszeiten, abhängig von der Klimazone, lässt sich keine allgemeingültige Liste erstellen, auf die man einfach zurückgreifen könnte.
Trotzdem macht es sicherlich Spaß sich im Freien aufzuhalten und mit offenen Augen die Natur und die dahinterstehende Faszination wahrzunehmen. Wenn wir unser Bewusstsein wieder ein wenig schärfen und die Natur und ihre geheimnisvollen Zusammenhänge wieder besser verstehen lernen, ist auch wieder ein respektvolles, wertschätzendes Leben im Einklang mit der Natur möglich.
Autor: Kerstin Wenzel [kw]